Inserat

Dieser Tag, der 21.06., ist der längste im Jahr - gemessen an den Stunden, die zwischen Sonnenaufgang und -untergang liegen. Ansonsten ist er ja gleich lang wie alle anderen Tage des Kalenders, nämlich 24*60^2 Sekunden. Die Sekunde ist in der Musik das Intervall zwischen zwei Tönen, die einen Ganztonschritt von einander entfernt sind. C und D bilden etwa eine Sekund. Wie aber verhält es sich mit der Zeit? Ist die Sekunde das Intervall zwischen zwei abgrenzbaren Zeitpunkten, zwischen zwei eigenständigen Momenten? Wohl kaum. Dieser Gedanke ist zu groß gedacht (oder etwa zu klein?), er negiert Details. Ein Photon zum Beispiel legt in einer Sekunde die Strecke Mond-Erde zurück. Das sind 300 000 Kilometer. Da liegt doch etwas dazwischen! Zerlegt man die Sekunde in ihre Bruchstücke, so erhält man Zehntel-, Hundertstel-, Tausendstelsekunden - Größenordungen, die etwa sportliche Leistungen einordnen und unterscheiden lassen. Zerlegt man wiederum diese Bruchstücke, so erhält man immer kleiner werdende Zeitintervalle. Wie lange braucht ein Photon nun um eine winzige Strecke von 3*10^-10 Metern, die Stärke eines Wassermoleküls, zurückzulegen? Das ist eine Attosekunde - der milliardste Teil einer Milliardstelsekunde (10^-18 Sekunden). Für unsere Wahrnehmung sind solche Größenordungen der Zeit nicht zu erfassen, doch ohne Zweifel setzt sich alles, was um uns geschieht aus Vorgängen, die in diesen winzigen Zeitintervallen geschehen, zusammen. Aus dem Kleinen entsteht das Große. Aus Teilen, die sich fügen, entsteht ein Ganzes. Viele Bienen bilden ein Volk. "Was dem Schwarm nicht nützt, nützt auch der Biene nicht", schreibt Marc Aurel in seinen Selbstbetrachtungen. Eine klare Kritik an den Individualismus, der ja heute en-vouge ist. Viele träumen von der Selbstverwirklichung, dem Erreichen persönlicher Ziele, dem Abhaken von sogenannten "Bucket-Listen". Ist es wirklich das, was zählt? Oder ist es ein Ausdruck der Angst vor der eigenen Vergänglichkeit?

Vergehen wird auch der 21. Juni, der Tag der Sonnenwende. Er wird vorübergehen, wie ein jeder Tag und einen Teil der gesamten Zeitgeschichte bilden. Wann diese beginnt und wo sie endet wird wohl ein Rätsel bleiben ...